Presse-Information12. August 2011
Gericht lehnt Haftentlassung im Hamburger Piratenprozess ab!
Offenbar gehen dem Hamburger Landgericht nun endgültig die Argumente aus: Statt die unangemessen lange Untersuchungshaft der Angeklagten aus Somalia endlich zu beenden und den Anträgen der Anwälte auf Haftentlassung zu folgen, wird auf abenteuerliche Weise eine neue Begründung für die angebliche Fluchtgefahr aus dem Hut gezaubert: Solidarische Menschen und kritische ProzessbegleiterInnen werden verleumdet. Sie würden als FluchthelferInnen für die teilweise minderjährigen Somalier bereit stehen, so die Behauptung des Gerichts!
„Diejenigen Prozessbeteiligten, denen wir gerne zur Flucht verhelfen würden, sind der Richter und die Staatsanwaltschaft“ sagt Michaela Goedecke von der Gruppe kein mensch ist illegal Hamburg.
Abgesehen davon, dass das Gericht seine Quellen verschweige, die solche absurden Anschuldigungen zu belegen meinen, werde auf diese Weise der Solidaritätsbegriff und eine kritische Prozessbeobachtung diffamiert, sagen das Eine Welt Netzwerk Hamburg, kein mensch ist illegal Hamburg und die Dritte-Welt-Hafengruppe Hamburg.
Seit anderthalb Jahren befinden sich die zehn Somalier, die angeklagt sind, das Containerschiff Taipan im April 2010 mit Waffengewalt überfallen zu haben, in Haft. Am 15. August läuft der Prozess nach einer längeren Pause weiter. Auf bisherige Haftentlassungsanträge wurde mit dem Ältermachen der Minderjährigen und eines zur Tatzeit Strafunmündigen, mit dem Ignorieren einer somalischen Geburtsurkunde und der Verschärfung der Tatvorwürfe reagiert.
Einige Anwälte wie auch ProzessbeobachterInnen kritisieren – neben zahlreichen anderen Aspekten – das Messen mit zweierlei Maß: Die Jugendlichen sind, verglichen mit Gleichaltrigen aus Hamburg und selbst denjenigen, die einen Menschen auf dem Gewissen haben, außergewöhnlich lange in Untersuchungshaft. Üblich sind in Hamburg sechs Monate, zudem erfolgen die im Jugendrecht vorgesehenen erzieherischen Maßnahmen nicht.
Die jugendlichen Somalier in der Haftanstalt Hahnöfersand bitten seit langem darum, mehr als alle zwei Wochen eine Stunde Deutschunterricht zu bekommen. Weit mehr Stunden könnten ihnen und anderen Gefangenen von einer Deutschlehrerin angeboten werden. Offensichtlich sind sich aber die Justizvollzugsanstalt und das Gericht in ihrer paranoiden Solidaritätsangst einig: der unentgeltlich angebotene Deutschunterricht wird mit dem fadenscheinigen Argument der „Gleichbehandlung“ aller Gefangenen abgelehnt.
Weitere – fadenscheinige - Gründe, warum laut Gericht die Fluchtgefahr bestehen bleibe: Es gebe eine somalische Diaspora in Europa, die auch Geld nach Somalia überweisen und ein Untertauchen ermöglichen würde, außerdem würden die Angeklagten nur einen Duldungsstatus erhalten.
Andere Untersuchungshäftlinge, insbesondere aus Hamburg - die nicht von Somalia nach Deutschland verfrachtet wurden - haben hier Freunde, Geld, Familie. Und aus vielen Ländern der Erde gibt es eine Diaspora in Europa, die meisten überweisen Geld in ihre Herkunftsländer! Einige der Untersuchungshäftlinge haben auch nur einen Duldungsstatus – und werden dennoch nach einigen Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen.
Anwälte haben im Prozess deutlich gemacht, dass keine Fluchtgefahr bestehe, die Mandanten Meldeauflagen erfüllen und sich dem Prozess nicht entziehen würden. Selbst eine hohe Strafe und die Aussicht auf den prekären Status Duldung würde ihre Mandanten derzeit nicht dazu bringen, nach Somalia zurückzukehren. Dort herrscht Hunger, Krieg und einige Angeklagte haben den Kontakt zu ihren auf der Flucht befindlichen Familien verloren.
Die kritischen ProzessbegleiterInnen, darunter die Gruppe kein mensch ist illegal Hamburg, die Dritte-Welt-Hafengruppe Hamburg und das Eine Welt Netzwerk Hamburg, werden diese hilflosen Versuche, die Angeklagten und die solidarischen Menschen gegeneinander ausspielen zu wollen, nicht zulassen. Sie fordern die Einstellung des Verfahrens, die sofortige Haftentlassung aller im Piratenprozess Angeklagten und Schluss mit der Diffamierung von kritischen ProzessbegleiterInnen.