Freitag, 14. Januar 2011

Dem unbekannten Piraten - Redebeitrag in Laboe am 28.8

Redebeitrag in Laboe am 28.8

Globalisierung Opfer der Meere wurden, aber in keiner Gedenktafel, in keiner
öffentlichen Trauerrede, in keiner Gedenkminute eine Erwähnung finden: den
unbekannten Piraten.
Hier in Laboe wird mit monumentalem Aufwand dem militärischen Arm der
Seefahrt gehuldigt. Den Seefahrern, die ihr Leben an die gewaltsame
Unterbindung des Warentransportes über See verschenkt haben, sind in
diesem Nest mehrere Denkmäler gesetzt worden. Ein U-Boot zum Bestaunen,
ein Riesengeier zum Gedenken an den staatstreuen Tod der U-Bootfahrer und
ein unübersehbarer Phallus zur Ehrung imperialistischer Marinetraditionen
lassen keinen Zweifel an dem Inhalt und der Bedeutung der christlichen
Seefahrt aufkommen: Gestern- heute- morgen, mit allen Mitteln alles zum
Wohle der Nation und des Kapitals.


Hier an diesem Ort gibt es nichts zu ergänzen, niemand wurde vergessen, es ist
der in Stein gemauerte Klassenstandort der deutschen Seefahrtsgeschichte. Die
Kreuzfahrer zur Belebung der Binnenwirtschaft, die Frachter zur Durchdringung
der Welt mit deutschen Waren und Kapital und die Waffen zur Beseitigung
jeglichen Widerstandes gegen das Projekt „freier Welthandel“.
Wir sind heute hier, um der anderen Seite dieser Form von Freiheit zu
gedenken. Nicht als Ergänzung eines vernachlässigten teils der
Seefahrtsgeschichte, sondern als Gegenentwurf zur Geschichtsschreibung der
kapitalistischen Verwertungsmaschine mitsamt ihrer Schreiberlinge,
Architekten und Handlanger.
Als Pirat wird niemand geboren, zum Piraten wird mensch gemacht. Entweder
durch das innere Gesetz des Kapitals,dem Streben nach persönlichem Reichtum
und der Aneignung möglichst vieler Produktionsmittel oder wie es in der Regel
der Fall ist, durch blanke Not.
Wir verachten die Bereicherung auf Kosten anderer, sie macht aus dieser Welt
das, was sie für die übergroße Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten ist:
ein Leben in Not, Elend und alltäglicher Plackerei, ein Kampf ums Überleben
und um das tägliche Stück Brot.
Wir respektieren die Entscheidung, einer kalten Welt, die einem nicht das
schwarze unter den Fingernägeln gönnt, einen Teil des Reichtums abzutrotzen,
um das eigene überleben zu gewährleisten. Gerade auch die Piraterie erwächst
aus der vernichtenden Realität des kapitalistischen Raubes. Ein großer Teil der
somalischen Piraten waren in ihrem früheren Leben Fischer. Bis die großen
Fabrikschiffe kamen und die Fischgründe vor ihren Küsten leergefressen haben,
bis die Tanker der Industrienationen ihren Giftmüll in die Küstengewässer
verklappten, bis die kalten Krieger des Imperialismus ihre Stellvertreterkriege in
alle Teile der Welt exportierten.
Danach gab es nur noch leeres Wasser und das Betteln um Nahrungspakete bei
der Welthungerhilfe.
Wir respektieren die Entscheidung, einer kalten Welt, die einem nicht das
schwarze unter den Fingernägeln gönnt, einen Teil des Reichtums abzutrotzen,
dass sie freiwillig unter keinen Umständen herausrücken würde. Wenn du ein
Boot hast, das dir nichts mehr nützt, wenn Waffen leichter zu bekommen sind
als das Brot, das dir das Überleben sichert, wenn vor deiner Küste Schiffe mit
Menschen an Bord fahren, deren Leben der Freien Welt 10000 mal so viel Wert
ist wie dein eigenes, was würdest du machen? Ist die Moral so viel wert, um
dafür elendig zu verhungern? Es gibt sicherlich Menschen, die sich so
entscheiden würden!
Wir respektieren die Entscheidung, einer kalten Welt, die einem nicht das
schwarze unter den Fingernägeln gönnt, einen Teil des Reichtums abzutrotzen,
um das eigene Überleben zu sichern.
Wir gedenken heute des unbekannten Piraten, der den Kampf ums
Existensrecht gegen den „freien Welthandel“ verloren hat in der Hoffnung,
bald in einer Welt zu leben, die diese Berufung überflüssig macht!
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